In Zeiten von steigendem Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein und Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit rückt im Bausektor eine Disziplin wieder in den Fokus, die von vielen oft als Randerscheinung belächelt und von der Bauwirtschaft sogar als störend empfunden wurde: Die Baubiologie.
“Baubiologie ist die Lehre von den ganzheitlichen Beziehungen zwischen den Menschen und ihrer gebauten Umwelt. Sie hat zum Ziel, ein gesundes, naturnahes, nachhaltiges und schön gestaltetes Wohn- und Arbeitsumfeld zu schaffen. Gebäude und Räume bezeichnen Baubiologen als “dritte Haut” des Menschen. Damit kommt zum Ausdruck, wie eng wir mit unserer gebauten Umwelt verflochten sind“, erklärt Winfried Schneider, Geschäftsführer des Instituts für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN den Begriff.
Sein Institut bildet seit Anfang der 80er-Jahre nicht nur Baubiologen (m/w/d) IBN mit dem staatlich anerkannten Fernlehrgang Baubiologie IBN aus, sondern bietet Baufirmen, Baufachleuten und allen, die sich ein gesundes und umweltfreundliches Wohn- und Arbeitsumfeld wünschen, unabhängige und objektiv nachvollziehbare Informationen, Beratungen, Messungen und Zertifizierungen auf Basis der „25 Leitlinien der Baubiologie“ an. Das IBN gibt es jetzt seit fast 40 Jahren, den Vorläufer in Vereinsform sogar schon seit über 50 Jahren.
Wir sprachen mit dem IBN-Geschäftsführer Winfried Schneider über die aktuelle Rolle und Bedeutung der Baubiologie für den Menschen, die Umwelt und den Klimaschutz:
Als Zwischenfazit halten wir fest, dass die Baubiologie zwei miteinander verbundene Ziele hat:
Doch was genau bedeuten nun diese Ziele beispielsweise für die Wahl der richtigen Baustoffe und Oberflächenbehandlungsmittel? Hierzu einige Beispiele:
Beton ist ein Baustoff aus Zement (= Bindemittel), Zuschlagstoffen (u. a. Kies, Sand, Splitt, recycelter Beton), Wasser und gegebenenfalls weiteren Betonzusatzstoffen und -mitteln. Bei einem normalen Beton der Festigkeitsklasse C25/30 hat ein Kubikmeter als Mengenanteil etwa 285 Kilogramm Zement, 200 Liter Wasser sowie 1.900 Kilogramm Zuschlagstoffe.
Durch den wachsenden Bauboom wird Beton zum begehrten Baustoff. Im Jahr 2020 erzeugte die deutsche Transportbetonindustrie rund 55 Millionen Kubikmeter Transportbeton. Von dem im Beton enthalten Bindemittel Zement wurden rund 27,5 Millionen Tonnen produziert. 31 Prozent des Zementverbrauchs in Deutschland fielen auf den privaten Wohnbau. (Quelle: bund-berlin.de).
Zement ist für fast jede zehnte Tonne CO² verantwortlich. Und er hat bauökologische und baubiologische Nachteile. Er ist der Grund dafür, dass das Feuchteausgleichsverhalten und Diffusionsverhalten von Beton vergleichsweise schlecht sind. Das wirkt sich negativ auf das Raumklima aus. Zudem dauert es lange, manchmal mehrere Jahre, bis Beton austrocknet. Schimmelbildung bereits im Neubau kann die Folge sein. Viel besser für die Gesundheit und Umwelt sind natürliche Materialien wie Holz, Lehm oder Kalk.
Wir haben bereits über Dämmstoffe im Hausbau berichtet. In diesem Beitrag wurden im Zusammenhang mit der Hohlraumdämmung ökologische Dämmstoffe wie Zellulose oder Holzfaser vorgestellt. Ökologische Dämmstoffe werden auch Naturdämmstoffe, natürliche Dämmstoffe oder Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen genannt. Sie haben oft eine bessere Ökobilanz als konventionelle Dämmstoffe und können auch bei Qualität und Dämmeigenschaften mithalten.
Zu den ökologischen Dämmstoffen zählen Flachsfasern, Hanffasern, Holzfasern, Holzspäne, Holzwolle, Jute, Kork, Schafwolle, Schilf, Seegras, Stroh, Wiesengras sowie die bereits genannten Zellulose und Holzfasern. Der bedeutendste Vorteil für Immobilienbesitzer ist das sehr gute Raumklima durch Naturdämmstoffe. So können einige ökologische Dämmstoffe zum Beispiel bis zu 30 Prozent ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Das sorgt für ein besonders angenehmes Raumklima und macht die Dämmstoffe weniger anfällig für Schimmel. Auch beim sommerlichen Hitzeschutz schneiden natürliche Materialien wegen der höheren Wärmespeicherung meist besser ab als konventionelle Dämmstoffe.
Standen Sie schon einmal in einem frisch gestrichenen Raum oder haben an einem frisch lackierten Objekt geschnuppert, werden Sie die häufig anzutreffenden unangenehmen Gerüche kennen. Schuld daran sind beispielsweise chemischeLösungsmittel wie Benzol und Xylol, die den Lack für die Verarbeitung flüssig halten. Neben den Lösungsmitteln gehören chemische Pigmente und Hilfsstoffe, auch als Additive bezeichnet, zu den Hauptinhaltsstoffen. Weißes Titandioxid, rote, schwarze und gelbe Eisenoxide, grünes Chrom(III)oxid und blaues Ultramarin geben dem Lack seine Farbe. Additive tragen zur besseren Verarbeitbarkeit des Lacksystems, zur Haltbarkeit des Lacks und zur Steuerung gewünschter Schichteigenschaften bei. Ähnliche Inhaltsstoffe finden Sie übrigens in vielen Wandfarben. Ganz schön viel Chemie, oder?
Doch es geht auch weniger gesundheitsgefährdend und deutlich umweltfreundlicher. Die Baubiologie empfiehlt hier Farben und Oberflächen auf Kalk-, Lehm- und Silikatbasis, natürliche Pigmente sowie Naturharze, -öle und -wachse oder Seifen. Natürliche Pigmente werden aus Rinden, Blättern, Früchten, Flechten, Wurzeln oder Mineralien hergestellt. Die Farben und Lacke enthalten dann entweder Wasser als Lösemittel oder natürliche Lösemittel wie Balsamterpentinöl oder Zitrusfruchtschalenöl.
Möchten Sie sich ein gesundes und umweltfreundliches Wohn- und Arbeitsumfeld schaffen, sollten Sie die Baubiologie in den Fokus nehmen und ihre 25 Leitlinien berücksichtigen. Dabei sind unter anderem folgende Punkte wichtig: