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Was bedeutet eigentlich Baubiologie?

Ökologisches Bauen

In Zeiten von steigendem Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein und Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit rückt im Bausektor eine Disziplin wieder in den Fokus, die von vielen oft als Randerscheinung belächelt und von der Bauwirtschaft sogar als störend empfunden wurde: Die Baubiologie.

Baubiologie ist die Lehre von den ganzheitlichen Beziehungen zwischen den Menschen und ihrer gebauten Umwelt. Sie hat zum Ziel, ein gesundes, naturnahes, nachhaltiges und schön gestaltetes Wohn- und Arbeitsumfeld zu schaffen. Gebäude und Räume bezeichnen Baubiologen als “dritte Haut” des Menschen. Damit kommt zum Ausdruck, wie eng wir mit unserer gebauten Umwelt verflochten sind“, erklärt Winfried Schneider, Geschäftsführer des Instituts für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN den Begriff.

Sein Institut bildet seit Anfang der 80er-Jahre nicht nur Baubiologen (m/w/d) IBN mit dem staatlich anerkannten Fernlehrgang Baubiologie IBN aus, sondern bietet Baufirmen, Baufachleuten und allen, die sich ein gesundes und umweltfreundliches Wohn- und Arbeitsumfeld wünschen, unabhängige und objektiv nachvollziehbare Informationen, Beratungen, Messungen und Zertifizierungen auf Basis der „25 Leitlinien der Baubiologie“ an. Das IBN gibt es jetzt seit fast 40 Jahren, den Vorläufer in Vereinsform sogar schon seit über 50 Jahren.

Portrait Winfried Schneider

Interview: Drei Fragen an das IBN

Wir sprachen mit dem IBN-Geschäftsführer Winfried Schneider über die aktuelle Rolle und Bedeutung der Baubiologie für den Menschen, die Umwelt und den Klimaschutz:

  • Inwieweit hat sich die Baubiologie in den letzten 50 Jahren verändert? Was sind die heutigen Top-Themen in diesem Bereich?
    „Am Anfang standen nur gesundheitliche Aspekte im Fokus. Erster Auslöser waren vor allem hochgiftige Holzschutzmittel, die in großen Mengen nicht nur außen, sondern auch für Innenräume verwendet wurden und bei zahlreichen Menschen schwere Vergiftungen bis hin zum Tod verursachten. Erst mit den Ölkrisen 1973 und 1979 kamen ökologische Aspekte hinzu. Die heutigen Top-Themen sind energieeffizientes Bauen und Sanieren einschließlich Nutzung erneuerbarer Energien, Ökobilanzen von Bauweisen und Baustoffen (graue Energie, kreislaufgerechtes Konstruieren, Wiederverwendbarkeit beziehungsweise Recycling, Sanierung statt Abriss, Verwendung regional verfügbarer Baustoffe), ökosozialer Umbau von Städten samt Nahversorgung unter anderem mit Lebensmitteln, generationenübergreifende gemeinschaftliche und damit bezahlbare Wohnformen, Reduzierung des Flächenverbrauchs für Gebäude.“
  • Derzeit ist Umwelt- und Klimaschutz eines der Top-Themen weltweit. Welche Rolle nimmt die Baubiologie in diesem Kontext ein?
    „Umwelt- und Klimaschutz ist im Sinne der ganzheitlich ausgerichteten Baubiologie unverzichtbar. Vergessen werden dabei aber nicht selten die Bedürfnisse des Menschen. In der Baubiologie ist ein Gebäude erst dann baubiologisch perfekt, wenn es neben nachhaltigen Kriterien auch gesundheitliche, soziale und ästhetische Kriterien erfüllt.“
  • Ihr Institut hat die 25 Leitlinien der Baubiologie und die Baubiologische Agenda 2025 herausgegeben. Was genau ist darunter zu verstehen?
    „Diese Leitlinien existieren schon seit über 40 Jahren und haben sich in dieser langen Zeit als richtig und wegweisend erwiesen. Sie bieten eine Art Checkliste, was bei Beratungen, Planungen und Bauausführungen im ganzheitlichen Sinne der Baubiologie alles beachtet werden sollte. In der Agenda 2025 haben erfahrene Baubiologen und Baubiologinnen sowie Institutionen 18 Ziele formuliert, deren weitgehende Umsetzung bis 2025 realistisch ist. Ihr Ziel ist eine gesunde, nachhaltige und damit zukunftsfähige gebaute Umwelt im Einklang mit der Natur.“
Baubiologie

Gesund bauen, wohnen und leben

Als Zwischenfazit halten wir fest, dass die Baubiologie zwei miteinander verbundene Ziele hat:

  1. Eine gesunde, nachhaltige und damit zukunftsfähige gebaute Umwelt im Einklang mit der Natur.
  2. Ein gesundes, naturnahes, nachhaltiges und schön gestaltetes Wohn- und Arbeitsumfeld.

Doch was genau bedeuten nun diese Ziele beispielsweise für die Wahl der richtigen Baustoffe und Oberflächenbehandlungsmittel? Hierzu einige Beispiele:

Lehm, Sandstein oder Holz statt Beton

Holz als Baumaterial

Beton ist ein Baustoff aus Zement (= Bindemittel), Zuschlagstoffen (u. a. Kies, Sand, Splitt, recycelter Beton), Wasser und gegebenenfalls weiteren Betonzusatzstoffen und -mitteln. Bei einem normalen Beton der Festigkeitsklasse C25/30 hat ein Kubikmeter als Mengenanteil etwa 285 Kilogramm Zement, 200 Liter Wasser sowie 1.900 Kilogramm Zuschlagstoffe.

Durch den wachsenden Bauboom wird Beton zum begehrten Baustoff. Im Jahr 2020 erzeugte die deutsche Transportbetonindustrie rund 55 Millionen Kubikmeter Transportbeton. Von dem im Beton enthalten Bindemittel Zement wurden rund 27,5 Millionen Tonnen produziert. 31 Prozent des Zementverbrauchs in Deutschland fielen auf den privaten Wohnbau. (Quelle: bund-berlin.de).

Zement ist für fast jede zehnte Tonne CO² verantwortlich. Und er hat bauökologische und baubiologische Nachteile. Er ist der Grund dafür, dass das Feuchteausgleichsverhalten und Diffusionsverhalten von Beton vergleichsweise schlecht sind. Das wirkt sich negativ auf das Raumklima aus. Zudem dauert es lange, manchmal mehrere Jahre, bis Beton austrocknet. Schimmelbildung bereits im Neubau kann die Folge sein. Viel besser für die Gesundheit und Umwelt sind natürliche Materialien wie Holz, Lehm oder Kalk.

Ökologische Dämmstoffe: gut für Umwelt, Gesundheit und Wohnklima

Schafwolle als Dämmstoff

Wir haben bereits über Dämmstoffe im Hausbau berichtet. In diesem Beitrag wurden im Zusammenhang mit der Hohlraumdämmung ökologische Dämmstoffe wie Zellulose oder Holzfaser vorgestellt. Ökologische Dämm­stoffe werden auch Naturdämm­stoffe, natürliche Dämm­stoffe oder Dämmstoffe aus nach­wachsenden Rohstoffen genannt. Sie haben oft eine bessere Ökobilanz als konventionelle Dämmstoffe und können auch bei Qualität und Dämmeigenschaften mithalten.
Zu den ökologischen Dämm­stoffen zählen Flachsfasern, Hanffasern, Holzfasern, Holzspäne, Holzwolle, Jute, Kork, Schafwolle, Schilf, Seegras, Stroh, Wiesengras sowie die bereits genannten Zellulose und Holzfasern. Der bedeutendste Vorteil für Immobilienbesitzer ist das sehr gute Raumklima durch Naturdämmstoffe. So können einige ökologische Dämm­stoffe zum Beispiel bis zu 30 Prozent ihres Eigen­gewichts an Feuchtig­keit aufnehmen und wieder abgeben. Das sorgt für ein besonders angenehmes Raum­klima und macht die Dämm­stoffe weniger anfällig für Schimmel. Auch beim sommerlichen Hitze­schutz schneiden natürliche Materialien wegen der höheren Wärme­speicherung meist besser ab als konventionelle Dämm­stoffe.

Natürliche Farben und Lacke

Natürliche Farben

Standen Sie schon einmal in einem frisch gestrichenen Raum oder haben an einem frisch lackierten Objekt geschnuppert, werden Sie die häufig anzutreffenden unangenehmen Gerüche kennen. Schuld daran sind beispielsweise chemischeLösungsmittel wie Benzol und Xylol, die den Lack für die Verarbeitung flüssig halten. Neben den Lösungsmitteln gehören chemische Pigmente und Hilfsstoffe, auch als Additive bezeichnet, zu den Hauptinhaltsstoffen. Weißes Titandioxid, rote, schwarze und gelbe Eisenoxide, grünes Chrom(III)oxid und blaues Ultramarin geben dem Lack seine Farbe. Additive tragen zur besseren Verarbeitbarkeit des Lacksystems, zur Haltbarkeit des Lacks und zur Steuerung gewünschter Schichteigenschaften bei. Ähnliche Inhaltsstoffe finden Sie übrigens in vielen Wandfarben. Ganz schön viel Chemie, oder?

Doch es geht auch weniger gesundheitsgefährdend und deutlich umweltfreundlicher. Die Baubiologie empfiehlt hier Farben und Oberflächen auf Kalk-, Lehm- und Silikatbasis, natürliche Pigmente sowie Naturharze, -öle und -wachse oder Seifen. Natürliche Pigmente werden aus Rinden, Blättern, Früchten, Flechten, Wurzeln oder Mineralien hergestellt. Die Farben und Lacke enthalten dann entweder Wasser als Lösemittel oder natürliche Lösemittel wie Balsamterpentinöl oder Zitrusfruchtschalenöl.

Fazit – Baubiologie erfordert ganzheitliches Handeln

Ökologisches Bauen

Möchten Sie sich ein gesundes und umweltfreundliches Wohn- und Arbeitsumfeld schaffen, sollten Sie die Baubiologie in den Fokus nehmen und ihre 25 Leitlinien berücksichtigen. Dabei sind unter anderem folgende Punkte wichtig:

  • Möchten Sie die Baubiologie in Ihr Projekt einbeziehen, sollten Sie das unbedingt ganzheitlich für das vollständige Haus, die gesamte Wohnung oder Firmengebäude tun. Es bringt reichlich wenig, natürliche Farben oder Tapeten an die Wand zu bringen, während der Fußboden mit einem Kunststoff-Parkett belegt ist.
  • Um den gesamtökologischen Aspekt einzubeziehen, sollten Sie bei der Auswahl der Produkte und Baustoffe die gesamte Kette von der Herstellung/ Erzeugung über die Verarbeitung im Gebäude bis zur Entsorgung betrachten.
  • Viele Baumaterialien sind zwar ökologisch, werden aber unter umweltschädigenden Umständen hergestellt oder erzeugen sehr viel umweltschädigenden Abfall. Möchten Sie baubiologisch vorgehen, ist auch dieser Aspekt entscheidend.
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